Meldungen aus dem Bezirksverband Düsseldorf
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"Ge(h)denken... 2024": Überraschende Ein- und Ausblicke in Moers

Auf den Spuren von Industrie und Bergbau im Zweiten Weltkrieg

Blick vom "Geleucht" aufs Ruhrgebiet Volksbund NRW

Moers. Am 7. September 2024 veranstaltete der Volksbund NRW in Moers im Rahmen seines Monatsprogramms „Ge(h)denken - Monat des Kriegsgrabs“ eine Führung der besonderen Art. Im Zentrum der Führung stand das Thema „Industrie und Bergbau im Zweiten Weltkrieg“. Der Focus lag auf den Menschen, die Kriegswirtschaft am Laufen gehalten haben: den ausländischen Zwangsarbeitskräfte und Kriegsgefangenen. 

Über 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich am Samstagnachmittag bei bestem Wetter auf dem Friedhof Lohmannsheide in Moers zusammen, dem Startpunkt der Führung. Begrüßt wurden sie von Landrat Ingo Brohl, der auch Vorsitzender des Volksbundes im Kreis Wesel ist.

 

Zwangsarbeit – neben viel Schatten manchmal auch ein Licht

Die Führung begann an der Kriegsgräberstätte für die ausländischen Kriegstoten, darunter Zwangsarbeitskräfte und Kriegsgefangene aus Polen, Belgien und Frankreich. Hier erhielt die Gruppe eine kurze Einführung zu den Themen Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft. Über die einzelnen Toten ist nichts weiter bekannt, weshalb der Gruppe im Anschluss in der Trauerhalle ein Kurzfilm über den französischen Kriegsgefangenen Felix Demond präsentiert wurde, in Anwesenheit der Filmemacher Walter Kropp und Annelie Klother sowie der Kinder von Felix Demond. Felix Demond ist nach dem Krieg in Moers geblieben. Er heiratete die Tochter des Bauern, bei dem er während des Krieges als Zwangsarbeiter gelebt und gearbeitet hatte, und gründete hier eine Familie. Zwar sind solche positiven Geschichten eher die Ausnahme, aber es gab sie. 

Kriegsgefangenschaft – Identifizierung namenloser Opfer

Im krassen Kontrast dazu erfuhr die Gruppe anschließend etwas über das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitskräfte, die an einer anderen Stelle auf dem Friedhof bestattet sind. Die meisten waren im Bergbau eingesetzt und überlebten die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen nicht. 51 Zwangsarbeiter der Zeche Rheinpreußen starben bei einem Luftangriff und waren bis zum Zeitpunkt der Führung anonym bestattet. Bei den Vorbereitungen zur Führung waren die Mitarbeiterinnen des Volksbundes, Jana Moers und Kinga Kazmierczak, auf eine Abgangsliste des Lagers gestoßen, mit der die Toten identifizieren werden konnten. Die Teilnehmenden der Führung schrieben daraufhin die Namen der anonym bestatteten Toten auf Schleifenbänder und platzierten sie neben der Grabstätte, um an sie zu erinnern.

„Auf der Flucht erschossen“ – das viel zu kurze Leben eines Zwangsarbeiters

Der nächste Halt der Gruppe war am Nikolai-Martynenko-Weg, der sich mitten durch den Friedhof zieht. Der Weg wurde 1999 nach einem Zwangsarbeiter benannt, der als 15-jähriger auf der Flucht erschossen wurde und ebenfalls ein Grab auf dem Friedhof Lohmannsheide hat. Nikolai und sein Bruder Iwan waren in einem Lager der Zeche Friedrich Heinrich untergebracht. Beide wollten fliehen, doch Iwan blieb im Lager zurück und überlebt am Ende den Krieg. Als er in den 1990er Jahren das erste Mal nach Deutschland zurückkehrte, berichtete er in einem Zeitzeugengespräch detailliert über die Gefangennahme, Zwangsarbeit und den Tod seines Bruders. So konnten wir zumindest die Lebensgeschichte eines hier ums Leben gekommenen sowjetischen Zwangsarbeiters kennenlernen.

Relikte des Bergbaus

Vom Nikolai-Martynenko-Weg wanderte die Gruppe gemeinsam hoch auf die Halde Rheinpreußen, wo inmitten der schönen Natur nicht mehr viel an Bergbau und Zwangsarbeit erinnert. Auf dieser Etappe gab es noch eine Überraschung für die Teilnehmenden - einen Audio-Walk bestehend aus Bergbau-Geräuschen und Zitaten von ehemaligen Zwangsarbeitern, die über ihre Erfahrungen im Bergbau in der Region berichten. 

Überraschung: “Der Steiger kommt!”

Danach wanderte die Gruppe weiter zum „Geleucht“, einem einzigartigem Montankunstwerk des Künstlers Otto Piene, das an die Bergbaugeschichte der Region erinnern soll. Das 9,5 Meter hohe Kunstwerk konnte an diesem Tag auch von innen besichtigt werden. Darüber hinaus gab es eine weitere Überraschung: eine Delegation des Knappenchors Rheinland e.V., dem letzten bergmännischen Traditionschor der ehemaligen Bergbaustadt Moers, begrüßte die Gruppe vor dem Geleucht. Zum Abschluss genossen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei einem Picknick und netten Gesprächen das schöne Panorama. Nach 3,5 Stunden war die Führung zu Ende und ein Shuttle-Service brachte die Gruppe wieder zurück zum Friedhof. 

Das Projekt wurde ermöglicht durch die finanzielle Förderung der Fachstelle für Demokratie der Stadt Moers im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!"

Text und Fotos: Volksbund NRW